Neuregelung des Jugendschutzes

Kennzeichen-Vielfalt statt Durchblick?

30.09.2010
Ein neuer Staatsvertrag möchte den Jugendschutz im Bereich der Online- und Browserspiele ab 2011 stärken. Einheitliche Alterskennzeichen sind derzeit noch nicht in Sicht. Auf der Jahrestagung der BPjM nahm die Diskussion aber an Fahrt auf.

Computerspiele sind zunehmend direkt online spielbar, statt über ein Trägermedium. Der Jugendschutz im Internet – einem Telemedium – wird durch den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) geregelt. Dieser sieht zukünftig eine Alterskennzeichnung für Online- und Browserspiele vor. Bisher gibt es eine solche Kennzeichnung in Deutschland nur für Computerspiele auf Trägermedien. Das komplexe neue Regelwerk setzt in erster Linie darauf, dass sich die Anbieter von Onlineinhalten freiwillig kennzeichnen lassen. Nutzerautonome Filterprogramme sollen die Alterskennzeichen technisch auslesen können und pädagogisch Verantwortliche damit bei ihren Erziehungsaufgaben unterstützen.

Jugendschützer arbeiten bereits seit Jahresbeginn mit Hochdruck an Ideen zur Umsetzung. So war der JMStV auch das dominierende Thema auf der Jahrestagung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) am 22. und 23. September in Regensburg. Unklar sind – so der Tenor der Fachtagung – vor allem zwei Fragenkomplexe: Wer prüft, mit welchen Kriterien und nach welchem Verfahren? Sowie: Wie sehen die Filterprogramme aus und wie werden sie Eltern und pädagogisch Tätigen schmackhaft gemacht?

Die Aufsicht über den Onlinebereich behält die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). Alterskennzeichen können darüber hinaus von Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle vergeben werden, die zuvor von der KJM anerkannt wurden. Dazu zählen bereits die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF) und die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM). Hinzu kommen die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) und die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK), die beide für die Prüfung von Trägermedien zuständig sind und nun eigene Modelle für den Onlinebereich anbieten wollen. Bis zur Anerkennung durch die KJM sind FSK und USK in begrenztem Umfang im Onlinebereich aktiv. Die USK darf etwa ab 2011 Alterskennzeichen auf alle Downloadspiele vergeben, die im Wesentlichen „unveränderbar“ sind.

Die bisherigen Monopole im Bereich der Alterskennzeichnung werden damit aufgehoben. Zwar versicherten in Regensburg die Beteiligten, eine gemeinsame einheitliche Lösung finden zu wollen, dennoch ist zu befürchten, dass ab Januar mehrere, konkurrierende Alterskennzeichen „auf dem Markt“ sein werden. Anbieter könnten dann wählen, von wem sie sich kennzeichnen lassen wollen. Das Browserspiel Poisonville beispielsweise trägt aktuell bereits zwei Kennzeichen, eines der USK und eines der FSM. Stimmen die Altersangaben in diesem Fall noch überein, so könnten sie grundsätzlich aber auch voneinander abweichen. Der Gesetzestext im JMStV gesteht den Prüfeinrichtungen einen entsprechenden Ermessensspielraum zu. Sollte es soweit kommen, wäre das sicherlich kontraproduktiv für das eigentliche Anliegen der Neuregelung und keine wirkliche Orientierungshilfe für Eltern und pädagogisch Tätige.

Auch die Veröffentlichung geeigneter Filterprogramme wird wohl warten müssen, bis die Frage der Kennzeichnung abschließend geklärt ist. Der Erfolg wird hier vor allem davon anhängen, inwieweit entsprechende Software Erziehungsbeteiligte überzeugen kann und in den Haushalten Verbreitung findet. Die Programme müssen auch dem „Overblocking“ vorbeugen, sprich dass Webseiten fälschlicherweise gesperrt werden. Als weitere Schwachstelle kommt hinzu, dass ausländische Onlineangebote von den deutschen Regelungen nicht tangiert werden.

Abschließende Antworten auf die offenen Fragen konnten bei der Jahrestagung der BPjM noch nicht gegeben werden. Bewertet werden kann der neue JMStV schließlich erst, wenn die genaue Umsetzung fest steht. Die Diskussion dazu bleibt aber im Gange. Sollten alle Länderparlamente die Neufassung des JMStV ratifizieren, wird er wie geplant im Januar 2011 in Kraft treten. Im Sinne des Jugendmedienschutzes bleibt zu hoffen, dass sich die Beteiligten bis dahin auf eine einheitliche Umsetzung geeinigt haben.

Weiterführende Links

Jugendschutz

Neue „Sendezeiten“ und „freiwillige“ Alterskennzeichnung im Internet

Weblinks

Arbeitsentwurf zur Änderung des Jugendmedienschutzstaatsvertrags (Stand: 3 Mai 2010)

„FSK.online“ - Jugendschutz im Internet

USK entwickelt System zur Selbstklassifizierung

FSM-System ermöglicht die Selbstklassifizierung von Online-Games
Tobias Miller
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Bildnachweise

1 Kommentar

Tobias Miller (Redaktion spielbar.de) schreibt:

Update: Der Betrieb des oben erwähnten Spiels Poisonville von bigpoint wurde Anfang 2011 eingestellt. Grund waren anhaltende technische Probleme.

16.02.2012 um 12:38